Streitschlichtung kontra Gerichts- und Schiedsverfahren in Spanien
Sandra Schramm (Rechtsanwältin – Abogada Abteilung Wirtschaftsrecht BROSA)
Vergangenen Donnerstag, den 26. Juli 2012, also genau einen Tag vor Inkraftreten des neuen spanischen Gesetzes für Streitschlichtung in Zivil- und Handelssachen (Gesetz 5/2012, vom 6. Juli) nahm ich an einer sehr interessanten Konferenz des ICAB, wie die Rechtsanwaltskammer von Barcelona kurz benannt wird, teil, die von Frau Montserrat Purtí i Pujals, spanischer Rechtsanwältin und Expertin in Streitschlichtung gehalten wurde.
Es scheint, dass wir Rechtsanwälte auf die Auseinandersetzung mit der Gegenseite programmiert sind, selbst wenn es um außergerichtliche Beilegungen von Streitigkeiten geht und wir denken, dass wir die Sache objektiv angehen, um eine Einigung zu erzielen. So fällt es uns anfangs nicht leicht, Unterschiede zwischen außergerichtlichem Verhandeln und der Streitschlichtung zu erkennen.
Betrachten wir jedoch dass Konzept Streitschlichtung, so sind weder wir, die Anwälte, noch der Richter, sondern die im Streit befindlichen Parteien selbst die Protagonisten, die ihren Konflikt mit Hilfe eines Streitschlichters beheben. Hierbei obliegt es allein der Bereitschaft der Parteien und ihrer Initiative, den Konflikt zu lösen. Die Streitschlichtung (die auch als Mediation bezeichnet wird) erlaubt kreative Lösungen (natürlich gestatten außergerichtliche und gerichtliche Verhandlungen auch Kreativität), und wir müssen anerkennen, dass der Streitschlichtungsprozess wesentlich kostengünstiger und schneller verläuft, als eine gerichtliche Verhandlung und damit für den Mandanten auch “einfühlbarer“ wird. Natürlich stehen wir Anwälte nicht tatenlos am Spielfeldrand und schauen zu, denn unsere Arbeit beginnt an einer anderen Stelle der Streitpartie, nämlich nach der Konfliktbewältigung und genau da kann der Wert unserer Arbeit als solcher wahrgenommen werden.
Das neue spanische Streitschlichtungsgesetz dient vor allem der Umsetzung der wichtigsten Aspekte der Europäischen Richtlinie 2008/52/CE, natütlich verspätet, denn die Umsetzung in nationales Recht (europäische Richtlinien wirken, anders als europäische Verordnungen, nicht unmittelbar in jedem Mitgliedsstaat) hätte eigentlich bis 21. Mai 2011 erfolgen müssen. Aber manchmal lohnen sich Verspätungen, denn das neue spanische Gesetz legt nicht nur Mindestnormen der Streitschlichtung fest, sondern, und im Unterschied zum katalanischen Gesetz aus dem Jahr 2009 (Ley 15/2009, vom 22. Juli) mit dem die Streitschlichtung in einem einfachem Protokoll endete, bestimmt das neue spanische Gesetz einen generellen Anwendungsbereich auf sämtliche Streitschlichtungsverfahren im Zivil- und Handelsrecht und darüber hinaus die Möglichkeit, dem Ergebnis der Streitschlichtung verbindliche Wirkung der getroffenen Vereinbarungen gegenüber Dritten zu verleihen. Dies bedeutet, dass eine durch eine Streitschlichtung getroffene Vereinbarung unter gewissen Umständen gleiche Wirkung, wie ein Gerichtsurteil erlangen kann.
Die Grundprinzipien der Streitschlichtung sind:
- die Vertraulichkeit aller von den Parteien in der Streitschlichtung erlangten Unterlagen und Informationen,
- der Wille der Parteien zur Teilnahme und Mitarbeit an einer Vereinbarung zur Streitlösung, und
- die Unparteilichkeit des Streitschlichters inklusive der unabdingbaren Verpflichtung, die jeweils andere Partei über sämtliche Kommunikationen, Unterhaltungen bzw. Sitzungen mit der anderen Partei zu informieren.
Aufgabe des Streitschlichters ist es, den Konflikt zu “positivieren”, ohne dass er entscheidend oder beratend tätig wird. Er animiert die Parteien, über ihre Interessen zu reden, die sie für ihre künftige Beziehung in Betracht ziehen möchten. Wie bereits ausgeführt, bleiben wir Anwälte dabei nicht tatenlos am Spielfeldrand, sondern können unsere Mandanten in den Sitzungen mit dem Streitschlichter beratend begleiten, dem Mandant bei der Redaktion der Vereinbarung nach der Konfliktbewältigung bzw. in der Schlussphase bei der juristischen Veröffentlichung der Vereinbarung vor dem Notar oder Richter unterstützen.
Somit ist für Streitschlichtungen ab dem 27. Juli 2012 das neue spanische Streitschlichtungsgesetz in Zivil- und Handelssachen, Gesetz 5/2012, vom 6. Juli, zusammen mit den bereits bestehenden Normen, wie der Richtlinie 2008/52/CE, vom 21. Mai, dem katalanischen Gesetz 15/2009, vom 22. Julio und dem Europäischen Verhaltenskodex für Streitschlichtung zu beachten.